Der Weg von Albert Tokyo, gesehen bei FC Barcelona

KOLUMNE04.03.2022

Der Weg von Albert Tokyo, gesehen bei FC Barcelona

Tito Vilanova, einst der rechte Hand von Josep Guardiola (Pep) und nach dessen Rücktritt auch Trainer der ersten Mannschaft von FC Barcelona, nannte als Grundprinzipien des Barça-Stils die folgenden zwei Punkte.

Das eine ist „den Ball zu halten und im gegnerischen Drittel weiter anzugreifen“, das andere „den Ball sofort zurückzuerobern, wenn man ihn verliert“.

Unabhängig vom System – oder besser gesagt, das System ist zweitrangig – betonte er, der bereits vor 8 Jahren im April 2014 im Alter von nur 45 Jahren verstarb, zu Lebzeiten, dass es am wichtigsten sei, diese beiden Prinzipien konsequent umzusetzen.

Die Denkweise ist wirklich einfach. Grob gesagt könnte theoretisch jeder Verein auf der Welt allein dadurch zu Barça werden. Doch diese Prinzipien im Alltag umzusetzen ist, ähnlich wie einen verzerrungsfreien Kreis mit einem einzigen Strich zu zeichnen, einfacher gesagt als getan und weitaus schwieriger als man denkt.

Dass Pep Barças in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre mit überwältigendem Ballbesitz-Fußball eine Epoche prägen konnte, lag an einer festen Philosophie als Grundlage.

„Lieber schön verlieren, als hässlich gewinnen“

„Fußball muss immer offensiv und spektakulär sein. Solange man den Ball kontrolliert, kann der Gegner nicht angreifen.“

„Man muss nicht laufen. Man muss nur den Ball laufen lassen.“

Der von Pep ausgebildete und von ihm übernommene Barçaismus, den einst Johan Cruyff propagierte und verankerte, wird bis heute ununterbrochen weitergegeben. 

1988, als Cruyff als Trainer zu Barça zurückkehrte, wo er einst als Spieler aktiv war, war das erste, woran er arbeitete, um seine Philosophie im Team zu verankern, eine „durchgängige Ausbildung“ von der Cantera (Nachwuchsakademie) bis zur ersten Mannschaft. Von den ganz jungen Kindern bis zu den Stars der ersten Mannschaft ließ Cruyff alle Spieler unter seiner Führung nach derselben Philosophie spielen, den eigenen Ball zu schätzen, und im gleichen Stil.

So haben Pep, Xavi, Andres INIESTA und Lionel Messi ganz natürlich den Barça-Stil verinnerlicht, so wie kleine Kinder eine neue Sprache durch Zuhören erlernen.

Hier liegt der unvergleichliche Vorteil, den nur Barça besitzt und der nicht einfach nachzuahmen ist. Natürlich gab es in der Vergangenheit auch Trainer wie Louis van Gaal, der viel Verantwortung an niederländische Spieler delegierte, doch derjenige, der diesen Vorteil maximal nutzte und einen großen Erfolg in der Fußballgeschichte erzielte, war Pep, der ab der Saison 08-09 vier Spielzeiten lang die erste Mannschaft leitete.

„Dass ein gerade erst aufgestiegener Canterano (ein Spieler aus der Nachwuchsabteilung) problemlos in die erste Mannschaft passt, liegt daran, dass er in der Cantera mit genau demselben Spielstil vertraut gemacht wurde.“

Pep sagte das einst, aber da die Spieler von Anfang an ein tiefes Verständnis dafür hatten, wie sie spielen sollten, war es nicht nötig, die Taktik von Grund auf neu an die Eigenschaften der Spieler anzupassen. Im Extremfall zeichnete sich auf dem Spielfeld von selbst ein hohes Maß an Automatismen ab.

Deshalb denke ich persönlich, dass Pep seine taktische Prägung erst dann stärker entwickelte, als er Barcelona verließ und Mannschaften ohne diese Vorteile wie Bayern München und aktuell Manchester City betreute.

Natürlich war er schon zu seiner Zeit als Trainer bei Barcelona so eifrig, dass er den ganzen Tag im Video-Raum verbrachte, um den Gegner zu analysieren. Auch die „Falso Nueve“-Aufstellung mit Messi oder die Umwandlung von Javier Mascherano vom defensiven Mittelfeldspieler zum Innenverteidiger sind keine wenigen „Erfindungen“ von Pep aus dieser Zeit. Dennoch hat der bereits erwähnte Vilanova als Assistenztrainer Folgendes ausgesagt.

„Pep hat die Gegenmaßnahmen der gegnerischen Mannschaft gegen Barça vollständig durchschaut. Um uns nicht frei passen zu lassen, würden die Gegner die Linie hoch setzen und versuchen, den Ball durch frühe Verteidigung zu erobern. Aber das bedeutet nicht, dass Pep spezielle Trainingspläne vorbereitet oder konkrete Taktiken vorgegeben hätte. Er gab nur die Anweisung, die Räume hinter der letzten Linie anzugreifen, und die Spieler mit hoher Qualität setzten das perfekt um.“

In der modernen Fußballwelt, in der der Transfermarkt liberalisiert und internationalisiert wurde, kann man sagen, dass Pep Barças Erfolg, der vor allem auf selbst ausgebildeten Eigengewächsen basierte und die Weltspitze erreichte, eine äußerst außergewöhnliche Erscheinung war.

In dieser Saison strebt der spanische Trainer Albert PUIG ORTONEDA, der die Leitung von FC Tokyo übernommen hat, ein auf Positionsspiel basierendes Ballbesitz-Fußball an, das sich an jenem Pep-Barça als Ideal orientiert.

Aber als leidenschaftlicher Anhänger von Cruyff und Pep, der zudem Erfahrung als Trainer und Akademiedirektor in der Barça-Jugendakademie hat, wird er natürlich verstehen, wie schwierig das ist. Auch bei Albirex Niigata in der J2, die er bis zur letzten Saison zwei Jahre lang trainierte, bot er zwar spektakulären Fußball mit Ballbesitz, konnte aber den Aufstieg in die J1 nicht erreichen.

Beim aktuellen FC Tokyo ist weder eine offensive Philosophie wie bei Barça fest verankert, noch bilden Spieler, die durchgehend in der Akademie einen ballbesitzorientierten Stil erlernt haben, das Kernteam.

„Wir brauchen Zeit“

Dass Trainer Albert dies immer wieder betont, ist keineswegs ein Ausweichmanöver, sondern wohl ein aufrichtiges und ehrliches Gefühl. Um ein hochgradig vernetztes Fußballspiel zu realisieren, bei dem auf dem Spielfeld wie bei der Zellteilung immer wieder Dreiecke entstehen und man sich dem gegnerischen Tor nähert, oder um ein atemloses High-Pressing-Fußball zu spielen, bei dem der Moment des Ballverlusts zugleich der Beginn des Angriffs ist, braucht es eben Zeit.

Damit FC Tokyo den von Albert PUIG ORTONEDA angestrebten Fußball ernsthaft verwirklichen kann, dürfen sich der Verein und auch die Fans und Unterstützer nicht ungeduldig darauf versteifen, diesen Bereich übers Knie zu brechen und sofort zu erreichen. Deshalb besteht die erste Aufgabe von Trainer Albert Pobor darin, die Rolle zu würdigen, die Cruyff bei der Grundlegung der Denkweise gespielt hat. Das heißt, die Entwicklung eines „Tokyoismus“ anstelle des Barçasimus.

„Im ersten Jahr wollen wir das Fundament legen und im zweiten Jahr so gut wie möglich starten. Allerdings können wir keinen Titel garantieren.“

Sowohl aus den Kommentaren von Trainer Albert PUIG ORTONEDA als auch aus der Tatsache, dass der 18-jährige Rookie Kuryu MATSUKI im Eröffnungsspiel gegen Kawasaki Frontale sofort in der Startelf stand, lässt sich eine mittel- bis langfristige Verstärkungsstrategie ablesen. Wenn man die Zeit für die Grundsteinlegung dennoch so kurz wie möglich halten möchte, sollte man neben der Ausbildung talentierter Spieler in der Akademie auch externes Personal, das zum Spielkonzept passt, geschickt integrieren. Auch bei Pep Barças Zeiten waren erfahrene externe Kräfte wie Dani Alves, Pedro Rodríguez und David Villa wertvolle Verstärkungen, die Lücken füllten, die allein mit Canteranos nicht zu schließen waren.

Was die Verstärkungen betrifft, so hat Pep damals auch einige Fehleinkäufe getätigt. Ein typisches Beispiel ist der ukrainische Nationalverteidiger Dmytro Chygrynskiy (jetzt AEK Athen), den er wegen seiner Fußtechnik verpflichtete, der aber nicht ins Team passte. Außerdem gab es Spannungen mit Zlatan Ibrahimović (jetzt AC Mailand) wegen seiner Einsatzzeiten. Pep, der damals noch wenig Erfahrung als Trainer hatte, war in Sachen Teammanagement noch nicht so versiert wie heute.

Gerade deshalb wird die Bedeutung der Philosophie und die Exzellenz der Canteranos umso deutlicher.

Natürlich sind seit der Zeit von Pep Barça etwa zehn Jahre vergangen, und der moderne Fußball verlangt heute mehr denn je nach physischen und athletischen Fähigkeiten. Sowohl Barça als auch Pep, der den Verein verlassen hat, versuchen, sich an diese Veränderungen anzupassen und aktualisieren ihre Taktiken nahezu jährlich. Die sogenannten „falschen Außenverteidiger“ und andere populäre Positionsspiel-Elemente, die auf eine vorteilhafte Positionierung abzielen, gehen im Grunde auf Pep zurück. Allerdings wirkt Barça in letzter Zeit eher wie in einer Phase des Ausprobierens als eines klaren Updates. Dennoch bleibt die zugrundeliegende Philosophie unverrückbar, und es ist von großem Wert, einen Ursprung zu haben, zu dem man zurückkehren kann, wenn man sich unsicher fühlt.

Früher, in der Saison 01-02, gab es bei Barça einen linken Außenverteidiger namens Francesco Coco. Der erste italienische Spieler in der Vereinsgeschichte, der in der Jugendakademie von AC Mailand ausgebildet wurde und als „Nachfolger von Paolo Maldini“ galt, wurde im Camp Nou jedoch stets ausgepfiffen. Es ist die Barça-Tradition, mutig von der Abwehr aus zu kombinieren und das Spiel aufzubauen. Die Fans, die Culés, konnten es nicht akzeptieren, dass er aus Sicherheitsgründen den Ball einfach ins Aus schlug.

Wie lange wird es wohl dauern, bis sich eine solche Kultur bei FC Tokyo etabliert hat und Albert Pobor einen Ursprung gefunden hat, zu dem er jederzeit zurückkehren kann?

Es versteht sich von selbst, dass die Reformen unter Trainer Albert PUIG ORTONEDA gerade erst begonnen haben und die Mentalität, die er den Spielern vermittelt – „Liebe den Ball wie deine Geliebte“ –, nicht von heute auf morgen entstehen kann. Dennoch heißt es, geduldig zu bleiben. Denn am Ende wird sich mit Sicherheit ein Stil etablieren, der FC Tokyo ausmacht und der auch in den nächsten zehn, ja sogar fünfzig Jahren unverrückbar Bestand haben wird.


Text von Osamu Yoshida